Verhaltensoriginelle Teilnehmer*innen

Verhaltensauffälligkeiten. Verhaltensauffälligkeiten können als normabweichendes  Verhalten betrachtet werden. Diese Abweichung kann sich auf ideale Bezugsnormen (im  Sinne von Regeln, Vorschriften, Geboten), soziale Bezugsnormen und funktionale  Bezugsnormen (d.h. ein Verhalten ist (dys)funktional zur Erreichung eines Zieles) beziehen.  

Abnormes Verhalten. Abnormes Verhalten kann durch statistische Seltenheit, die Verletzung  sozialer Standards und das Erzeugen von gesellschaftlichem Unbehagen beschrieben  werden. Es ist ferner assoziiert mit persönlichem Leid bzw. Beeinträchtigung sowie im  Allgemeinen unangemessen, maladaptiv und irrational.

Schutz- und Risikofaktoren. Risikofaktoren sind Persönlichkeitsmerkmale oder  Umweltbedingungen, welche die Wahrscheinlichkeit einer fehlangepassten Entwicklung  erhöhen. Hierunter fallen beispielsweise Geburtskomplikationen, chronische Armut, Trennung  oder Tod der Eltern.  
Unter Schutzfaktoren versteht man demgegenüber Persönlichkeitsmerkmale oder  Umweltbedingungen, die trotz schädlicher Lebensbedingungen die Wahrscheinlichkeit für eine  fehlangepasste Entwicklung verringern. Beispiele für Schutzfaktoren im Leben von Kindern  und Jugendlichen sind soziale Unterstützung, familiärer Zusammenhalt, eine positive Eltern Kind-Beziehung, ein positives Selbstwertgefühl und ausgeprägte Interessen.  
Auch im Rahmen der Jugendarbeit kann eine soziale Unterstützung beispielsweise in Form  von Hilfe bei Bedarf, Zuwendung, Modellen positiven Bewältigungsverhaltens und  Begegnungen mit Freund*innen und Kamerad*innen stattfinden.

Verhaltenshintergründe. Im Sinne interaktionistischer Entwicklungstheorien tragen zur  Entwicklung von Verhalten sowohl die Person als auch die Umwelt als auch die Interaktion  beider Faktoren bei. Auch das Diathese-Stress-Modell geht von einem Zusammenspiel von  Diathese (Disposition) und Stressoren (Umweltereignisse bzw. Lebenssituationen) zur  Entstehung eines Outcomes aus.  
Anstelle von vorschnellem Urteilen ist es entsprechend hilfreich, sich zunächst die multiplen  Hintergründe eines beobachteten Verhaltens bewusst zu machen. So ist ein Verhalten immer  beeinflusst von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren, eingebettet im  jeweiligen situativen Kontext.  
An dieser Stelle sei auch an das Freud’sche Eisbergmodell verwiesen.

Bedürfnisse. Im Rahmen seiner Bedürfnispyramide postuliert Abraham Maslow fünf  menschliche Grundbedürfnisse. Diese teilt er wiederum in drei Defizitmotive (Psychologische  Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, Soziale Bedürfnisse) und zwei Wachstumsmotive  (Wertschätzung und Ich-Bedürfnisse, Selbstverwirklichungsbedürfnis) ein.

Klaus Grawe geht von vier menschlichen psychologischen Grundbedürfnissen aus, nämlich:

  1. Orientierung und Kontrolle  
  2. Lustgewinn und Unlustvermeidung  
  3. Bindung  
  4. Selbstwertschutz und Selbstwerterhöhung

Generell ist es empfehlenswert, auch im Kontext der Jugendarbeit das Verhalten anderer  Menschen vor dem Hintergrund möglicher Bedürfnisse zu betrachten. Kein Verhalten  geschieht ohne Grund, sondern es liegt ein Bedürfnis zugrunde.

Reframing. Unter Framing versteht man den Prozess der Einbettung von Ereignissen und  Themen in ein Deutungsraster. Reframing meint entsprechend das Vornehmen einer neuen  Bewertung oder Interpretation einer Situation oder eines Verhaltens einer anderen Person.

Auch in der Jugendarbeit – wie im Allgemeinen in allen Bereichen des Lebens – kann es  sowohl wohltuend als auch beziehungsförderlich sein, wann immer notwendig und sinnvoll  Reframing als Umdeutung in etwas Positives zu praktizieren.

Rolle der Gruppenleitung. Sicherlich gibt es kein Geheimrezept für den Umgang mit  verhaltensoriginellen – um nicht zu sagen „schwierigen“ – Teilnehmer*innen. Die folgenden  Tipps können jedoch hilfreich sein:

  • Hab eine positive Grundeinstellung anderen und Dir selbst gegenüber, schätze jede*n  Einzelne*n wert  
  • Nimm Deine aktuellen Emotionen bzw. Deine vorherrschende Stimmung wahr
  • Sei echt, authentisch und transparent im Kontakt mit anderen  
  • Frag nach, zeig Interesse und sei aufgeschlossen gegenüber anderen
  • Versuche, Dich in den*die andere*n hineinzuversetzen und betrachte auch den Kontext

Der klinische Bereich. Häufig sind die Grenzen zwischen subklinsichen  Verhaltensauffälligkeit und Verhaltensstörungen im klinischen Bereich fließend.

Psychische Störungen wie Angst-, Ess- oder depressive Störungen sowie Symptome wie  selbstverletzendes Verhalten oder Suizidalität sind im Kindes- und insbesondere im  Jugendalter nicht selten.

Es ist daher wichtig, als Jugendgruppenleiter*in informiert und aufmerksam sein. Gedanken  und Emotionen dürfen angesprochen werden, wobei Offenheit und Transparenz wichtig sind.

Jugendgruppenleiter*innen sollten zwar vertrauensvolle Ansprechpersonen sein und  gegebenenfalls Hilfe und Begleitung anbieten dürfen. Dennoch sind sie keine Psycholog*innen  oder Therapeut*innen. Entsprechend ist es notwendig, rechtzeitig den Kontakt zu den Eltern  zu suchen und professionelle Unterstützung zu veranlassen.


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